Monotasking statt Multitasking

Vor Jahren habe ich dieses Buch von Gary Keller gelesen, der Titel klingt reißerisch, aber das müssen Titel in diesem Bereich auch (Gary Keller with Jay Papasan: The ONE Thing: The Surprising Simple Truth Behind Extraordinary Results) und es ist eins der Werke, zu denen ich immer und immer wieder zurück komme.

Die Grundfrage ist simpel und wiederholt sich: What’s the ONE thing you can do such that by doing it, everything else will become easier or unnecessary? – Boom. Was für eine Frage. Man muss das Buch auch nicht dringend lesen, aber diese Frage im Fragenwerkzeugkasten zu haben und sie ab und zu herauszuholen, das hilft wahnsinnig.

Die Antworten darauf werden je nach Lebensphase und Herausforderung variieren, vielleicht wird es lange dauern, darauf zu kommen, was jetzt eigentlich diese eine Sache sein kann. Vielleicht ist es auch eine Sache im Privatleben und eine Sache im Business. Aber gerade in diesen Pandemiezeiten, in denen wir alles auf einmal und das meiste davon zuhause machen sollen, Arbeiten-Kochen-Leben-Homeschooling-Betreuung-aber-Pausen-nicht-vergessen, diese Zeit verlangt uns mehr Multitasking ab, als wir bewerkstelligen können. Multitasking hat noch nie gut funktioniert, aber jetzt wird es so richtig deutlich.

Die Lösungen variieren je nach Anforderungsbereich. Wenn es daran hakt, zwischen dem Arbeiten und dem Homeschooling noch zu kochen, dann hilft vielleicht Meal Prep; vielleicht hilft aber auch der Anlauf, eine Therapiesitzung zu vereinbaren, weil die mentale Lage doch nicht mehr gut ist und es in alle Bereiche abstrahlt. Vielleicht fehlt im Leben eine neue Routine, mehr Kontakte zu Freund*innen, oder feste Termine, die dem Alltag mehr Struktur geben
Im Arbeitsbereich ist es vielleicht ein neues Ablagesystem, oder eine Prozessverschönerung – have you tried to turn it off and on again? Vielleicht sollten Aufgaben aber auch neu verteilt werden, das Wissensmanagement optimiert oder neue Wege gefunden werden, wie sich die Mitarbeitenden in Fernarbeitszeiten besser miteinander austauschen können.

Was auch immer es ist: Diese Frage hilft, dorthin zu gehen, wo es gerade weh tut, wo es gerade nicht läuft, wo wir auf der Stelle treten oder einfach nicht das erreichen, was wir gerne erreichen würden. Anstatt dann ganz, ganz viel auf einmal zu machen und alles nur halbgar zu erledigen, hilft es, sich stark zu fokussieren. Was ist die eine Sache, die ich tun kann, die dafür sorgt, dass alles andere einfacher oder unnötig wird? Ich selbst fange mit Nachdenken an.

 

Zurück zur Produktivität

Es gab mal Zeiten, in denen Arbeitszeit deutlich produktiver war. Ich bin nicht sicher, welche Version von Arbeit die New-Work-Consultants da gerade verkauft haben – vielleicht Work 2.0 oder Work 4.0 – aber es gab zumindest teilweise ein gemeinsames Verständnis darüber, dass zahlreiche Meetings die Menschen eher von der Arbeit abhalten als die Produktivität zu befördern. Der dazu gehörige Satz lautet: “This could have been an email.”
Dabei ist Produktivität nicht unbedingt als Wir-steigern-das-Bruttosozialprodukt-Produktivität zu verstehen, sondern vielmehr als ein Zustand, in dem Menschen ihren Tätigkeiten nachgehen können und in den sogenannten Flow kommen, ohne dabei minütlich unterbrochen zu werden oder in stundenlangen, ergebnislosen Sitzungen ihre Zeit zu verschwenden.

Fast forward: Zehn Monate Pandemie, eine Art New Normal – und ein stetiger Begleiter dieser neuen Arbeitswelt sind zahlreiche Videokonferenzen – digitale Präsenzmeetings, in denen alle Beteiligten zeitgleich vor den Bildschirmen sitzen und anwesend sein sollen.
Das kann für manche Arten von Arbeit sinnvoll und wichtig sein – und ein paar wenige Videokonferenzen sind es vermutlich in allen Bereichen. Aber – Hand aufs Herz – zahlreiche Videokonferenzen sind mehr oder weniger Zeitverschwendung für alle Beteiligten, und könnten eben auch eine Email sein oder als eine andere Art der digitalen Zusammenarbeit asynchron stattfinden.

Dabei spielen auch die Anzahl und die Dauer der Videokonferenzen eine wichtige Rolle – und auch die Taktung. Während eine Videokonferenz am Tag leicht zu verkraften ist, sind vier Stunden Videokonferenz über den Tag verteilt, oder noch schlimmer hintereinander am Stück eher hinderlich für die Konzentration.
Wahrscheinlich würden sich die meisten Menschen darauf besinnen, dass vier Stunden Fernsehen am Stück einen negativen Einfluss auf die Konzentration und das körperliche Wohlbefinden haben – aber das stundenlange Starren auf einen viel kleineren Bildschirm in geringerem Abstand scheint kein Problem zu sein.

Und während für Kinder und Jugendliche außerhalb der Pandemie oft eingeschränkte Bildschirmzeiten galten für Tablet, Fernseher und Handy, finden jetzt teilweise zahlreiche stundenlange Videokonferenzen der Schule hintereinander statt und die jungen Menschen haben daran teilzunehmen. Junge Menschen finden hier oft ihre eigenen Lösungen – während die eine sich ganz starr verhält und so tut, als sei das Bild eingefroren, hat der andere leider „eine schlechte Verbindung und Computerprobleme”, so dass manche Videokonferenzen früher verlassen werden.

Aber es geht auch anders – vor allem dann, wenn wir selbst diejenigen sind, die andere zu Videokonferenzen einladen. Wenn wir diejenigen sind, die kein oder nur wenig Mitspracherecht über die Ausgestaltung der Arbeit haben, erfordert es etwas Mut, aber Feedback geben kann man ja trotzdem.

Hier ein paar Lösungsmöglichkeiten:

Den Anlass des Treffens betrachten und die richtige Form der Zusammenarbeit wählen
Was soll bei dem Meeting passieren? Welche Arten der Informationen sollen ausgetauscht werden? Welche Beteiligten sollten dabei wirklich dabei sein? Diese Fragen liefern wichtige Anhaltspunkte für die Form des Austauschs. Wenn eine Videokonferenz nicht wirklich nötig ist – dann gilt es, eine geeignete andere Form der digitalen Zusammenarbeit zu finden.

Andere Formen der digitalen Zusammenarbeit etablieren
Wenn die Mitarbeitenden zum Beispiel jeden Morgen gebrieft werden sollen, kann man ein Morgenbriefing einführen – per Mail, oder an einem Dashboard im gemeinsamen Arbeitstool. Wenn es darum geht, gemeinsam Projekte zu bearbeiten, kann man die Arbeitsstände in einem gemeinsamen Projektmanagement-Tool sichtbar machen. Wenn es darum geht, gemeinsam an einem Text oder einer Idee zu arbeiten, kann man die Arbeit in einem kollaborativen Tool wie z.B. einem Padlet organisieren. Wenn klar ist, was genau getan werden soll, wird klarer, wie und wo das mehr Sinn macht als in einer Videokonferenz – denn für die meisten Arbeitsvorgänge gibt es schon gute Tools, teilweise auch kostenlos für kleine Unternehmen.

Die Dauer der Videokonferenz verkürzen
Wenn sich Videokonferenzen gar nicht vermeiden lassen, kann man sie verkürzen. Genau wie manche „Standup-Meetings” im Stehen durchgeführt werden, damit das Meeting schnell wieder vorbei ist, können auch Videokonferenzen nur 10 oder 15 Minuten dauern, so dass die notwendigen Informationen schnell besprochen werden und alle wieder weiter machen können.

Das Videomeeting klar strukturieren und leiten
Jedes gute Meeting profitiert von einer klaren Struktur und einer gezielten Führung. Dazu hilft eine Agenda im Vorfeld – was soll besprochen werden? Was ist dafür vorzubereiten? Welche Informationen sollen ausgetauscht werden und dafür schnell parat sein? Wenn das im Vorfeld allen Beteiligten klar ist, kann eine professionelle Moderation während der Videokonferenz für einen klaren Ablauf sorgen und eine angekündigte Begrenzung der Redezeit kann ebenfalls hilfreich sein, um die Dauer der Videokonferenz zu verkürzen.

Es geht immer anders – und gerade im New Normal könnte einiges besser werden als vorher.