Wir leben in aufregenden Zeiten – nach einem halben Jahr On-Off-Lockdown und zwei Winterwellen in Deutschland sind die Inzidenzen derzeit so niedrig, dass draußen alles Mögliche gelockert wird.
Während das für die Schulen zum Beispiel bedeutet, dass die einzig logische Schlussfolgerung „Zurück zum Regelunterricht in voller Klassenstärke” ist – haben viele andere Unternehmen und Branchen die seltene Gelegenheit, nicht zum alten Normalzustand zurückzukehren, sondern eine neue Normalität aktiv zu gestalten. Im New Work-Sprech wird das üblicherweise durchnummeriert, es ist also “Designing the New Normal 2.0”.
Dieser Zwischennormalzustand sollte zumindest bis zum Herbst gedacht werden – falls wieder eine Winterwelle kommt, wird dann der neue Winternormalzustand 2.0 etabliert und dann wird jedes Halbjahr die aktuelle Zwischennormalität gelauncht – One more thing.
Wie gestaltet man nun diesen neuen Normalzustand, wenn man eigentlich mit anderen Dingen beschäftigt ist und die Sehnsucht nach einfachen, schnellen Lösungen groß ist?
Ein paar Gedanken dazu.
Nur weil viele Dinge wieder erlaubt sind, heißt das nicht, dass sie getan werden müssen
Die zahlreichen Lockerungen erwecken den Eindruck, dass an einigen Stellen die Pandemie für beendet erklärt wurde. Distanzregeln werden aufgehoben, die Testpflicht fällt an einigen Stellen, die Außengastronomie ist offen, Arbeitgeberverbände fordern ein Ende der Homeofficepflicht. Dadurch entsteht ein gewisser Erwartungsdruck und vielleicht auch das Gefühl, an diesen Dingen teilnehmen zu müssen. Die gute Nachricht: Weder im Privat- noch im Berufsleben muss jetzt alles getan werden, nur weil es nicht mehr explizit verboten ist. Da längst nicht alle geimpft sind bzw. auch Impfen nicht vor Ansteckung und Weiterverbreitung schützt, ist es durchaus sinnvoll, bestimmte Schutzmaßnahmen weiter anzubieten, ohne es zu müssen.
Nicht alle Menschen sind im gleichen Maße bereit für Lockerungen
Menschen unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Bedürfnissen, und selten wurde das so deutlich wie in dieser Pandemie. Bei Treffen im Büro und bei Veranstaltungen ist es daher sinnvoll, einen großen Handlungsspielraum anzubieten, der diesen unterschiedlichen Bedürfnissen ausreichend Raum gibt – und dennoch gemeinsame Zeit in Präsenz möglich macht. Eine niedrigschwellige Umsetzung sind zum Beispiel Armbänder in verschiedenen Farben, die unkompliziert zeigen, wieviel Nähe die Person aktuell angemessen findet.
Der neue Zwischennormalzustand lässt sich nicht Top-Down festlegen
Das ist aus vielen anderen Change-Prozessen bekannt: Veränderungen funktionieren nicht, wenn sie von oben angekündigt und durchgedrückt werden. Die nächste Phase der Zusammenarbeit sollte in Unternehmen gemeinsam entworfen und abgestimmt werden – je nach Unternehmensgröße bieten sich jetzt Workshops und Mitarbeiter:innenbefragungen an, um möglichst genau zu erfahren, was für die verschiedenen Personen jetzt wichtig ist und wie sich das in unterschiedlichen, flexiblen Arbeitsmodellen in eine gemeinsame Realität zusammenführen lässt. Wenn die Rückkehr ins Büro erzwungen wird, ohne überhaupt die Möglichkeit des hybriden Arbeitens zu erwähnen, kann es sein, dass das Büro aus anderen Gründen leer bleibt – weil die Mitarbeitenden sich kollektiv nach neuen Stellen umsehen.
In all dem liegt aber auch eins: Die Schönheit der Chance, gemeinsam eine neue Zwischennormalität zu entwerfen, die für alle Beteiligten besser ist als die alte.
Wann steht man schon mal an einem solchen Wendepunkt und hat die Gelegenheit, verschiedene Prozesse und Arbeitsabläufe neu aufzusetzen – ganz anders als alles, was „schon immer so gemacht wurde”.
Have you tried to turn your workplace off – and on again? The time is now.