Professionelle Planung für multiple Zukünfte

Die Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim hat auf ihrem YouTube-Kanal mailab ein neues 20 Minuten-Video geteilt, in dem sie erklärt, wie Corona endet. (Wichtig: Nicht wann genau die Pandemie endet, denn das hängt von sehr vielen weiteren Faktoren ab.)
Das ist sehr gut investierte Zeit:

Es gibt noch einige Unvorhersehbarkeiten – unter anderem durch die neuen Varianten, aber auch ein paar andere Faktoren können für Überraschungen auf dem Weg ins Ziel sorgen.

Was kann man aber daraus jetzt schon lernen?
Die Pandemie dauert mit Sicherheit noch eine ganze Weile; und der Zeitpunkt, an dem die Risikogruppen durchgeimpft sind, wird nicht zu einem „normalen Leben für alle” zurück führen.
Mit einem Blick auf das bisherige Pandemie-Management in Deutschland lässt sich annehmen, dass es noch weitere Wellen und Lockdowns geben kann – abhängig davon, ob zu früh gelockert wird oder ob es dann tragfähige Sicherheitskonzepte gibt, zum Beispiel durch breite Testangebote und Luftfilteranlagen. Ansonsten gibt es eben „The Hammer and the Dance”, wie schon im letzten März von Tomas Pueyo beschrieben (hier in einer deutschen Übersetzung zu lesen).

Wie entwickelt man Strategien und langfristige Planungen in unsicheren Zeiten?
Verschiedene Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft ließen zuletzt in den Medien Sätze verlauten wie „Wir können noch nicht wissen, wie die Lage ab kommenden Montag ist und was dann gilt.” oder „Wir fahren alle nur auf Sicht!”
Während das in den ersten Monaten der Pandemie durchaus verständlich war, weil zu viele Faktoren unbekannt waren, kann das nach fast einem Jahr in der Pandemie keine professionelle Strategie mehr sein. Magisches Wunschdenken auf eine schnelle Wunderheilung hilft nicht weiter. Die Pandemie geht so schnell nirgendwohin – und solange nicht eben der größte Teil der Bevölkerung immun ist bzw. dabei auch nicht mehr ansteckend für andere (siehe Video oben, das Konzept der sterilisierenden Immunität), werden z.B. große Menschenmengen und zahlreiche Kontakte im Beruf, Bildungsbereich und im Privatleben ohne multiple Sicherheitsvorkehrungen (Tests, Luftfilter, Medizinische Masken, Abstand, Hygiene etc.) nicht machbar sein oder eben zur dritten, vierten, fünften Welle und den entsprechenden Folgen führen.

Eine professionelle Planung bedeutet, für diese Faktenlage verschiedene mögliche Szenarien zu entwickeln und dabei auch die inneren und äußeren Faktoren einzubeziehen, die einem wirklich nicht gefallen. Dabei geht es nicht darum, nur Worst Case Szenarien durchzuspielen, aber natürlich: ein paar Worst Cases mal klar aufzuschreiben, durchzudenken und darauf basierend Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, um die eigene Organisation für diese verschiedenen Zukünfte sicher aufzustellen: das ist immer sinnvoll. Prepare for the worst and work towards the best outcome.

Eine Perspektive entwickeln – und Kraft für den langen Weg dorthin
Was mit dem Blick auf die Langstrecke auch wichtig wird, ist nicht nur, mehrere Szenarien und Perspektiven zu entwickeln – sondern die Anderen in der Organisation mit auf den langen Weg dorthin zu nehmen. Gerade geht allen irgendwie die Puste aus, und dabei ist erst Januar.
Es fehlt an Mut, Kraft, Hoffnung und gemeinsamen Zielen.
Neben der strategischen Planung an sich ist also auch wichtig, sich mit dem Drumherum zu beschäftigen: Wie halten wir so lange durch? Welche Maßnahmen heben die Stimmung?
Wie können wir unseren Mitarbeitenden im Lockdown helfen? Was brauchen sie einerseits, um gut und gesund von zu Hause arbeiten zu können (Stichworte: Ausstattung, Fortbildungen und Unterstützung) und was brauchen sie andererseits, um sich von der Arbeit zu erholen? (z.B. können bisherige Gesundheitsangebote wie eine Mitgliedschaft im Sportstudio in digitale Angebote umgewandelt werden; aber auch professionelle Supervision oder der kostenlose Zugang zu digitalen therapeutischen Angeboten können hilfreich sein.)

Führung bedeutet auch Fürsorge – nicht nur, weil es im Arbeitsschutzgesetz steht und es eine Fürsorgepflicht gibt, sondern weil Organisationen von Menschen getragen werden, und nicht von Maschinen. In Zeiten der Pandemie und der Distanzarbeit wird das nicht zur Nebensache, sondern so wichtig wie noch nie.