Wie gemeinsam Musik machen trotz Corona funktionieren kann

Im ganzen letzten Jahr habe ich verschiedene Lösungen beobachtet und gesammelt. Lösungen, die Menschen irgendwo auf der Welt finden, um bestimmte Dinge trotz Corona möglich zu machen. Nicht immer lassen sich diese Lösungen skalieren und übertragen.
Manche Lösungen sind vielleicht auch nicht umweltfreundlich, oder zu teuer für den Alltagseinsatz. Und dennoch bewegt es mich sehr, dass irgendwo auf der Welt Menschen eine Lösung suchen und etwas ausprobieren. Es ist bekannt, dass manche Dinge während der Pandemie nicht gehen oder gefährlich sind, vor allem, wenn dabei miteinander Aerosole in geschlossenen Räumen ausgetauscht werden – aber hier fokussieren sich manche Menschen nicht darauf, was alles nicht geht, sondern überlegen, wie es denn sonst funktionieren kann. Und da schaue ich wahnsinnig gerne hin.

Lösung 1: Die Chorprobe in Autos

Der Luminous Voices Chor aus Alberta in Canada singt hier gemeinsam auf einem Parkplatz, wobei der Sound der einzelnen Singenden über die Autoradios übertragen wird. Der Dirigent steht draußen auf dem Parkplatz, und passenderweise ist der gesungene Titel The Road Home.
Die Lösung ist großartig. Passt vielleicht eher in ländlichen Regionen, wo die meisten Menschen ein Auto haben; aber dann: Autokino plus X – da könnte etwas völlig Neues entstehen. Filme. Messen. Vorführungen – andere Dinge funktionieren vermutlich auch in Autos.

Lösung 2: Das gemeinsame Singen und Musizieren auf Balkonen und an Fenstern

Letztes Jahr im März wurde in Italien viel auf Balkonen und an Fenstern gegen die Quarantäne angespielt und gesungen. Diese Idee wurde so oder so ähnlich an vielen Orten der Welt genutzt – ist eher was für den Sommer, denn bei Minustemperaturen hält man es auf dem Balkon nicht so lange aus. Dennoch: Was wäre noch alles möglich an unseren Fenstern?

Lösung 3: Ein Konzert der Flaming Lips in riesigen Plastikblasen

Die Band The Flaming Lips hat im Oktober 2020 in Oklahoma City ein Konzert mit 100 Menschen in 100 Plastikblasen gespielt. Alle Menschen waren in einer eigenen Plastikblase, und so wurde keine Atemluft miteinander ausgetauscht. Funktioniert natürlich nicht lange und nicht überall; ist vielleicht auch eher ein PR-Gag. Dennoch: ein Versuch, eine Idee, eine funktionierende Lösung.

In all dem liegt die Schönheit der Chance, immer wieder mit neuen Augen hinzuschauen.

 

2021: A Year in Progress

Magnolie in voller Blüte

Dieses Jahr ändert sich vieles – in meinem Leben, und der Welt. Ich mache keine „guten Vorsätze” für das neue Jahr, davon halte ich wenig – aber ich mag gerne Leitmotive oder einen bestimmten Satz, der die Richtung vorgibt. Zu Beginn des Jahres hatte ich dieses Motto noch nicht parat, und das passt – denn 2021 steht unter dem Motto in progress.  Mitten in der Entwicklung, manches noch nicht ganz fertig, vieles noch im Werden, vieles im Zwischenzustand.

In anderen Jahren hätte ich gewartet, bis alles fertig ist – dieses Jahr nicht, denn ich teile auch das Werden, das Wachsen, die Lernprozesse. Ich habe vor 20 Jahren angefangen, viel im Netz zu schreiben und zu publizieren – so oft hat sich dieses Schreiben gewandelt, so viel ist daraus entstanden. In den letzten Jahren habe ich nicht öffentlich geschrieben, sondern halb-öffentlich in einem Newsletter. Das hatte gute Gründe, aber auch das hat sich wieder alles geändert.

Ich fange also neu an, mit diesem Blog – das Leitmotiv wird Leadership. (Was ich darunter verstehe, steht hier.) Das Layout wird sich mehrmals ändern, das Theme, die Bilder – das ist noch nicht fertig; aber ich warte nicht, bis es perfekt ist – ich schraube einfach daran herum, am lebenden Objekt. Manchmal merkt man auch erst nach einer Weile, warum etwas funktional ist, und das eher im Prozess der Nutzung, als in der reinen Planung.
Anke Gröners Blog trägt das Motto Blog like nobody’s watching  – und zu diesem Gefühl schreibe ich mich wieder zurück, im Wissen, dass andere zuschauen, und es dennoch okay ist, dass sich alles wandelt und das Bild da noch nicht perfekt ist und mir die Farbe dort noch nicht final gefällt.

Diese Seite trägt den Untertitel The Art of Noticing – Ein Raum für Beobachtungen und Inspiration, denn das ist der Weg, den diese Seite einschlagen wird. Es wird um Dinge gehen, die mich selbst sehr interessieren. Konzepte, die mir selbst sehr geholfen haben. Menschen, von denen ich selbst viel gelernt habe. Bücher, die mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben haben. Sätze, die ich nicht vergessen kann, und zu denen ich immer wieder zurück komme. Und alles, was mir sonst gerade wichtig erscheint, oder was ich gerade thematisieren will. Das heißt nicht, dass ich mich nicht mit anderen Themen beschäftige, aber hier liegt der Fokus ganz klar auf der Frage: Was habe ich daraus gelernt? Was können andere für sich daraus lernen? Warum ist das für mich – und vielleicht auch für andere interessant?

We often teach best what we need to learn the most. Das ist einer dieser Sätze, zu dem ich immer wieder zurück komme, denn er ist wahnsinnig wahr. Lernprozesse sind nicht immer linear, vor allem dann nicht, wenn sie nicht extrinsisch motiviert sind, sondern aus dem Lebensweg und den eigenen Herausforderungen selbst entstehen. Dabei müssen diese Phasen des Lernens und der Entwicklung sich auch nicht gut anfühlen, vor allem nicht, während man noch drin steckt – und oft lässt sich erst mit einigem Abstand sagen, was man daraus gelernt hat, und wie man dieses Wissen und das Können auf andere Bereiche übertragen kann.

Die Lösungen sind fast alle schon da – sie sind nur woanders. Das ist ein Satz, den ich nicht erst seit der Pandemie häufig denke – wir versuchen oft verzweifelt, neue Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden; und oft – nicht immer – gibt es funktionierende Lösungen oder Herangehensweisen, in anderen Bereichen oder anderen Ländern; vielleicht sogar in Bezug auf ganz andere Themen. Aber ein Teil der Antworten ist schon da draußen, und es hilft, sich anderswo umzuschauen. Wir müssen das Rad meist nicht neu erfinden, sondern einfach nur mit offenen Augen in andere Bereiche schauen, und uns wirklich dafür interessieren, was dort funktioniert, und wie wir diese Ideen und Konzepte adaptieren können.

The system isn’t broken, it was built this way. Das ist auch ein Satz, an dem ich viel herum denke –  viele Systeme, in denen es knirscht und knackt im Moment sind gar nicht kaputt, sondern sie waren von Beginn an nicht funktional – oder eben nur für manche Beteiligte. Natürlich ändern sich manche Dinge durch die Pandemie selbst – und dann wird es wichtig zu verstehen, dass man nicht nur an einer Stellschraube im System drehen kann, sondern immer auch an vielen weiteren Stellen, sonst passt hinterher nichts mehr zusammen. Andere Dinge waren als Prozess schon vorher nicht sinnvoll, und das wird durch die Krise verstärkt und wie mit einem sehr hellen Scheinwerfer ausgeleuchtet.

Never change a running system – aber wenn es gerade eh nicht läuft und sowieso einiges repariert werden muss, kann man einige Sachen besser und andere richtig großartig gestalten. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass in dieser Krise eine große Chance liegt, verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens, die Verwaltung, das Gesundheitssystem und das komplette Schulsystem komplett zu transformieren und zum Positiven zu verändern. In diesen Zwischenzeiten ist die Sehnsucht oft groß, so schnell wie möglich wieder zum alten Normalzustand zurück zu kehren – und dennoch war die Gelegenheit nie günstiger, die großen und wichtigen Veränderungen jetzt anzustoßen.

Sharing is caring. Ich fange einfach an und teile mein Wachsen, meine Lernprozesse, mein Wissen, meinen ganzen Werkzeugkasten – das ist meine Art, anderen Menschen etwas mit auf den Weg zu geben. Und da kann sich jede*r was aussuchen und wieder in den eigenen Werkzeugkasten stecken, wer weiß, wann das mal passt. Der nächste Moment, in dem man sich irgendwie verhalten oder eine sinnvolle Entscheidung treffen muss, kommt bestimmt.

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